Erschreckend: Antipsychotika für Kinder und Jugendliche mit ADHS

Grafik: Barmer GEK

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Kinder und Jugendliche bekommen Antipsychotika. Das allein ist schon erschreckend. Noch erschreckender ist, dass sie auch Kindern und Jugendlichen mit ADHS verschrieben werden und dass die Verschreibungen in den Jahren von 2005 bis 2013 um 41 Prozent angestiegen sind, wie der Barmer GEK Arzneimittelreport 2013  ermittelte.

Antipsychotika (auch: Neuroleptika*) sind Medikamente, die vorwiegend zur Behandlung schwerwiegender psychischer Störungen eingesetzt werden – üblicherweise bei Erwachsenen. Beim Einsatz bei Kindern und Jugendlichen, so der Report, “ergeben sich verschiedene Problemstellungen. Zum einen liegt nur für wenige dieser Substanzen eine Zulassung für das Kindes- und Jugendalter vor, sodass (…) die Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der im Rahmen der Zulassung genehmigten Anwendungsgebiete, eher die Regel als die Ausnahme ist (…). Zum anderen ist die Studienlage zur Wirksamkeit von Antipsychotika in dieser Patientengruppe für die meisten Indikationen äußerst schmal und es fehlen insbesondere Studien zu langfristigen Effekten und unangenehmen Arzneimittelwirkungen einer Behandlung mit Antipsychotika (…). Dies ist insbesondere angesichts der Tatsache, dass Antipsychotika in der Praxis oft über längere Zeiträume angewendet werden und das Gehirn in diesem Alter noch erheblichen Entwicklungen unterliegt, unbefriedigend. Zudem gibt es Hinweise, dass im Kindes- und Jugendalter manche unangenehmen Arzneimittelwirkungen, wie z. B. signifikante Gewichtszunahme, häufiger auftreten als im Erwachsenenalter.

Grafik: Barmer GEK

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Ungeachtet dessen existieren Leitlinienempfehlungen zur Anwendung für Antipsychotika auch für die Behandlung von Komorbiditäten [= zusätzliche Erkrankung im Rahmen einer definierten Grunderkrankung] bei Störungen des Sozialverhaltens oder z. B. Autismus-Spektrum-Störungen. In der Praxis werden Antipsychotika aber auch z. B. bei Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Angststörungen eingesetzt, obwohl hierfür weder eine Indikation noch eine Leitlinienempfehlung vorhanden ist.

Bei Kleinkindern bis vier Jahren verschreiben Ärzte kaum noch Antipsychotika. Bei allen anderen steigen die Verordnungszahlen, am stärksten bei den 10- bis 14-
Jährigen. „Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten”, betont der Bremer Versorgungsforscher Prof. Dr. Gerd Glaeske, einer der Autoren des Arzneimittelreports. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten Therapieempfehlungen geändert. Zudem dürfe man nicht ausblenden, dass Antipsychotika zum Teil gravierende unerwünschte Wirkungen haben.

Quelle: Pressemitteilung der Barmer GEK vom 11. Juni 2013 und Barmer GEK Arzneimittelreport 2013

* Neuroleptika – weiterführende Links:
Pflegewiki: Erklärung Neuroleptika
Wikipedia: Erklärung Neuroleptika